Zusammenfassung
Seit der Einfuhrung mikrovaskulär reanastomosierter Transplantate in die rekonstruktive
Chirurgie des Kopf-Hals-Bereiches stellt sich wiederholt die Frage, welches freie
Transplantat eingesetzt werden soll und ob dies Vorteile gegenüber gestielten Lappenplastiken
bringt. Aufgrund unserer Erfahrungen an 243 rekonstruktiven Eingriffen möchten wir
Vor- und Nachteile einzelner Rekonstruktionsvarianten aufzeigen und insbesondere die
Differentialindikationen für die verschiedenen Transplantate herausstellen. Sowohl
der freie mikrovaskulär reanastomosierte als auch der gefaßgestielte Gewebetransfer
ermöglichen häufig eine situationsgerechte Rekonstruktion, wobei je nach Defektausdehnung
und -tiefe entweder fasziokutane oder aber voluminöse myokutane Transplantate, z.T.
auch ohne Haut, eingesetzt werden können. Im Gegensatz zu konventionellen lokalen
und Fernlappenplastiken, die wir vor mehr als einem Jahrzehnt bei großen Defekten
anwandten, ist mit Hilfe der beiden Rekonstruktionsprinzipien eine einzeitige Wiederherstellung
möglich. Dies äußert sich auch in einer Verkürzung des Krankenhausaufenthaltes und
bietet den betroffenen Patienten eine deutlich bessere Lebensqualität. Der Vorteil
mikrovaskulär reanastomosierter Transplantate zeigt sich beispielhaft bei der Rekonstruktion
des oberen Digestivtraktes nach Pharyngolaryngektomie. Die vorgegebene Rohrform eines
freien Jejunumsegmentes erlaubt eine einzeitige Rekonstruktion des Pharynxschlauches,
so dass bessere funktionelle Ergebnisse bei gleichzeitiger Verkürzung der Hospitalisation
auftreten. Zur Deckung oberflächlicher Defekte im vorderen Mundboden und am Alveolarkamm
eignet sich aufgrund der mechanischen Belastbarkeit der radiale Unterarmlappen nahezu
ideal. Das Jejunumpatch ist leicht vulnerabel und in diesem Bereich insbesondere bei
einer prothetischen Versorgung dem radialen Unterarmlappen unterlegen. Im hinteren
Mundbodenbereich bevorzugen wir hingegen eher ein Jejunumpatch, da das Dünndarmtransplantat
eine bessere Restbeweglichkeit der Zunge erlaubt. Bei tieferen Defekten, beispielsweise
nach einer Glossektomie, eignet sich eine Auffüllung des Substanzverlustes mit einem
voluminösen freien Latissimusdorsi-Transplantat, wobei in solchen Fällen auch der
Pectoralis-major-Insellappen eingesetzt werden kann. Im Gegensatz zu freien Transplantaten
haben gestielte Lappenplastiken den Vorteil, dass zu ihrer Entnahme und Transposition
keine aufwendigen Operationstechniken erforderlich sind und die Operationszeiten kürzer
gehalten werden können. Ferner sind die Nekroseraten bei gestielten Lappenplastiken
geringer, da die komplikationsträchtige Mikroanastomose entfallt. Die Hauptanwendung
gestielter Lappen betrifft in unserem Krankengut die sekundäre Rekonstruktion in einem
vorbestrahlten und/oder voroperierten Gewebe.
Summary
Since the microvascular tissue transfer has been introduced in the reconstructive
surgery of the head and neck the question arises repeatedly which free transplant
should be favoured and which advantages exist to pedicled flaps. Based on our experiences
in 243 reconstructions we discuss the advantages and disadvantages of different operative
techniques and their differential indications. Using free as well as pedicled flaps,
reconstructions can be performed individually and the decision for a transplant depends
on localisation, size and depth of the defect. In contrast to conventional techniques,
like the deltopectoral Aap, which we performed a decade ago, both new principles allow
a one-stage procedure, which reduces the period of hospitalisation and improves the
quality of life for the patients. The advantages of free tissue transfer can be seen
especially in the reconstruction of the upper digestive tract after laryngopharyngectomy.
The existing form of the jejunum segment like a tube allows an easy one-stage reconstruction,
as well as better functional and aesthetic results. The radial forearm flap is a nearly
ideal transplant in the anterior oral cavity because of the mechanical stability.
In contrast the jejunum patch is more vulnerable and less qualified especially when
fitting a prosthesis. In the posterior oral cavity we prefer the jejunum patch because
it allows more mobility of the tongue. Deep defects, for instance after glossectomy,
should be reconstructed with a free latissimus-dorsi-flap or a pedicled myocutaneous
pectoralis major flap. In contrast to free tissue transfer, pedicled flaps have the
advantage that the difficult technique of microanastomosis is avoided, which reduces
the complication rate and the operation time. In our opinion the main indications
for pedicled flaps concern secondary reconstructions after irradiation and/or surgery.
Schlüsselwörter
Radialer Unterarmlappen - Freies Jejunum-transplantat - Freier Latissimus-dorsi-Lappen
- Pectoralis-major-Lappen
Key words
Radial forearm flap - Free jejunal transfer - Free latissimus-dorsi-flap - Pectoralis
major flap